Wahlen 2012: die Provinz

Es ist bezeichnend, wie das langjährige Achselzuckenthema Provinzwahl in diesem Jahr eine wahre Brisanz erfährt: Nein, nicht etwa, dass die Wähler etwa über die Frage abstimmen, ob die Provinzen abgeschafft werden oder umgekehrt mit anderen Aufgaben betreut, ob die DG die Provinzsteuer einstreichen dürfte oder die DG etwa provinzfrei würde, nein, all das steht bei dieser Wahl nicht zur Debatte, wenngleich ostbelgische Parteien immer wieder der Versuchung erliegen, dies zu suggerieren.

Doch weshalb ist die Beziehung zwischen Eupen und Lüttich problematisch? Zunächst einmal liegt es daran, dass die Provinz nach der Eingliederung in Belgien, in Eupen, Kelmis oder St. Vith keine Ingenieurschule gebaut hat, kein Spital, keine Psychiatrie und auch keinen sozialen Wohnungsbau. Damals, im alten Belgien. Dann säh es hier aus wie anderswo in Belgien. Ohnehin war die Provinz 1925 schon ein politisches Thema: von einer Aufteilung der alten Kreise und neuen Kantone auf zwei Provinzen, Lüttich und Luxemburg war die Rede, sogar von einer eigenen, was aber schon an der verfassungsmäßig festgelegten Arithmetik scheiterte.

Dann kamen Zwischenkriegs-Kriegs-und Nachkriegszeit. In den 1980er Jahren klagte lediglich das Provinzialratsurgestein Johann Haas darüber, dass der Mehrwert der Provinz klein sei. In seinem Fall hatte das auch damit zu tun, dass seine Partei, die Christlich-Sozialen, im Provinzialrat nichts zu bestellen hatten, und nicht ohne Neid wird er nach Arlon geschaut haben, wo es genau umgekehrt war, und die PSC federführend.

Seine Kritik klang verhalten, ganz anders die der inzwischen aufgelösten PDB, vor allem aber ihrer Taufpaten, die die Losung "Los von Lüttich" als Schlagwort versuchten zu etablieren. Die PDB legte dagegen den Schwerpunkt auf den finanziellen Aspekt: "I want my money back", hätte es die Zeitgenossin Margret Thatcher gesagt, in der noch stets angelsächsisch geprägten Sprache von Schulden-und Eurokrise heißt es nüchtern "Der return stimmt nicht", der Rückfluss.

Wie gesagt, Provinzschulen oder -Pflegeeinrichtungen gibt es nicht, zumindest nicht hier, und die Investitionen der Investierungsgesellschaft der Provinz sind schon deswegen schwierig zu bewerten, weil es sich eigentlich um Mittel der Region handle, wie es in Eupen heißt. Der Rückfluss ist quasi alleiniges Thema: Für Politikwissenschaftler wäre es ein interessanter Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung, wie das von der PDB in den Diskurs eingebrachte Thema von den anderen Parteien übernommen wurde und in die Forderungscharta einfloss, noch bevor Begriffe wie Transfertleistung, Finanzierungsmöglichkeit, Schulden und Schuldenfreiheit, Defizit und Sanierung zum weltumspannenden aktuellen und alles bestimmenden Rahmen wurde.

In eine Stromschnelle geriet das Thema Provinz, als die Regierung und der PDG-Vorläufer RDG die Provinzsteuern mit den Forderungen nach neuen Kompetenzen zu einem einzigen Forderungspaket zusammenschnürte, das später in die Vorstellung eines Belgien zu viert gipfelte. In den Beziehungen zwischen Klötzerbahn und Provinzpalast hatte es zwischenzeitlich eine Eiszeit gegeben, zur Zeit bildet ein Kooperationsabkommen den institutionellen Rahmen - es beziffert den Rückfluss auf rund 800.000 Euro, wobei das Steueraufkommen mit mehr als 10.000.000 Euro bezeichnet wird, manche sprechen von 13.

80 Prozent der Mittel der Provinz fließen im Durchschnitt in Aufgabenbereiche, die die Verfassung den Gemeinschaften zuerkennt. Im französischsprachigen Teil passt das dann auch, angesichts der vielen Bildungs- und Pflegeeinrichtungen, die die Provinz dort unterhält, und die auch in gewissem Maße von Deutschsprachigen besucht werden, auch das ist ein Transfer. Im Reformprozess, dem sich die wallonischen Provinzen zur Zeit unterziehen, versucht sich die Provinz, mit Leistungen zu profilieren, die sie provinzweit den Gemeinden anbietet, wie zum Beispiel einen gemeinsamen Streusalz-Einkauf.

Diese Ausgangslage versucht die heutige Blickpunkt-Fernsehsendung mit den Mitteln des Fernsehspiels darzustellen, nicht ohne Augenzwinkern, und als Verdeutlichung der besonderen Gemengelage. Die anschließende Fragerunde mit den Kandidaten hatte  zum Ziel, die denkbar knappe gemeinsame Wahlkampfaussage, sinngemäß "am liebsten das Geld, bis dahin das beste" thematisch zu erweitern, auch vor dem Hintergrund der Position der DG-Instanzen, in ihren Befugnissen Trägerschaft und gesetzgeberische Hoheit für sich alleine zu beanspruchen.

1 Kommentar

  1. Das war ganz schwach was den Zuschauern gestern Abend zum Abschluss der TV-Debatten präsentiert wurde. Am besten gefiel mir noch das Zwiegespräch des Moderators mit Georges Simenon zum Auftakt der Gesprächsrunde. Allerdings: war überhaupt etwas anderes zu erwarten? Wohl kaum, denn das Interesse an den Aktivitäten der Provinz tendiert in der DG inzwischen gegen Null. Mir ist denn auch unverständlich, weshalb die vier Kandidaten sich mit dem vielzitierten "return" unnötigerweise derart unter Druck setzen. Das Quartett glaubt doch nicht allen Enstes, die künftige Provinzialregierung würde für die zum Auschecken bereiten Ostbelgier zusätzlich zu den Geldern aus dem Kooperationsvertrag den Geldhahn weit öffnen. Wohlgemerkt: künftig strebt man nicht nur Druckkostenzuschüsse für Vereinsaktivitäten an; ein paar Millionen Euro aus dem Provinzkuchen sollen es schon sein. Na dann viel Erfolg!